Nobel Newspaper Article

Prof. Robert B. Laughlin
Department of Physics
Stanford University, Stanford, CA 94305

This is one of several newspaper articles related to Prof. Laughlin's 1998 Nobel Prize in Physics.



Berliner Zeitung
Mittwoch, 14. Oktober 1998

Quantenforscher Erhalten den Nobelpreis

Auszeichnungen in Chemie und Physik vergeben
Der Deutsche Horst Störmer ist einer der Laureaten

Wohl jeder Schüler hat im Physikunterricht gelernt, daß es unmöglich ist, eine elektrische Ladung zu erzeugen, die kleiner ist als die Ladung eines Elektrons. Den diesjährigen Physiknobelpreis erhalten drei Forscher, die bewiesen haben, daß dieser Satz nicht ganz richtig ist.

Wie die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Dienstag in Stockholm bekanntgab, geht der mit umgerechnet 1,5 Millionen Mark dotierte Preis an den Deutschen Horst Ludwig Störmer und die beiden US-Amerikaner Robert B.Laughlin (Stanford University, Kalifornien) und Daniel C.Tsui (Princeton University, New Jersey). Die drei Wissenschaftler entdeckten in den 80er Jahren eine sogenannte Quantenflüssigkeit mit bis dahin unbekannten Eigenschaften.

Störmer ist der 19.Deutsche, der den Physiknobelpreis erhält. Er arbeitet bei den Bell Laboratories in New Jersey und an der Columbia University in New York. Er lebt seit mehr als zwanzig Jahren in den USA. "Störmer fing 1977 mit langen Haaren bei Bell an", erinnert sich der Physiker Gottfried Landwehr von der Universität Würzburg. Er bezeichnet den Kollegen als quirlige Person mit scharfem Intellekt.

Gemeinsam mit dem zweiten Preisträger Daniel Tsui hat Störmer 1982 in einem Experiment entdeckt, daß Elektronen eine bis dahin völlig unbekannte Gestalt annehmen können. Die beiden Wissenschaftler sperrten die Ladungsträger in eine praktisch zweidimensionale Materialschicht, legten an zwei Seiten eine elektrische Spannung an und ließen senkrecht dazu ein Magnetfeld wirken, das die Elektronen auf eine Kreisbahn zwingt.

Dadurch erhöht sich der elektrische Widerstand im Material. Diese Hall-Effekt genannte Erscheinung kennen die Physiker seit mehr als hundert Jahren. Im Unterschied zum klassischen Experiment kühlten Störmer und Tsui ihre Anordnung fast bis auf den absoluten Nullpunkt (minus 273 Grad Celsius) ab und nutzten zusätzlich ein extrem starkes Magnetfeld. Beim Aufzeichnen der Meßkurve entdeckten die Forscher, daß der elektrische Widerstand sich anders verhielt als theoretisch vorhergesagt.

Erst Robert Laughlin, der dritte Physik-Nobelpreisträger dieses Jahres, konnte die Phänomene mit Hilfe der Quantentheorie erklären. Danach zwingen die niedrige Temperatur und das starke Magnetfeld die Elektronen in einen bis dahin völlig unbekannten Zustand. Sie treten in Wechselwirkung mit dem Magnetfeld und bilden sogenannte Quasiteilchen, die auch Bruchteile der Elektronenladung annehmen können. Diese Teilchen passen nicht zur klassischen Schulregel. Inzwischen wurden sie auch experimentell nachgewiesen.

Chemie-Preisträger

Der Chemie-Nobelpreis geht an den Österreicher Walter Kohn und den Briten John A.Pople. Sie wurden dafür ausgezeichnet, daß sie den theoretischen Hintergrund und die Methoden lieferten, mit denen die Eigenschaften von Molekülen und chemischen Reaktionen analysiert werden können.

Pople hat Computermodelle entwickelt, die eine Berechnung des Verhaltens von Molekülen ermöglichen. Der Brite entwarf das Programm Gaussian, das er 1970 veröffentlichte. Mittlerweile nutzen Tausende Chemiker weltweit dieses Programm. John A.Pople gilt als Pionier der Quanten-Chemie.

Er wurde 1925 in Burnham-on-Sea geboren. Pople studierte in Cambridge, Großbritannien, wo er promovierte. 1964 trat er eine Stelle als Professor für Physikalische Chemie an der Carnegie-Mellon-University in Pittsburgh, USA, an. Seit 1986 lehrt er an der Northwestern University in Evanston, Illinois.

Der gebürtige Österreicher Walter Kohn ist heute Direktor des Instituts für Theoretische Physik an der University of California in Santa Barbara. Seine bahnbrechende Leistung war die Entwicklung der sogenannten Dichtefunktionaltheorie. Der athematiker vereinfachte in den sechziger Jahren mit seiner Theorie die Berechnungsmethoden für Elektronenbahnen.

Walter Kohn studierte Ende der vierziger Jahre in Toronto Mathematik und ging dann nach Harvard. 1939 war er mit 16 Jahren ohne seine Eltern vor den Nazis aus Wien nach England geflohen; Vater und Mutter wurden in Auschwitz ermordet. Der heute 75jährige Wissenschaftler engagiert sich in der amerikanischen Politik für die Abschaffung der Atomwaffen.